BAG: Arbeitgber kann Corona-Testpflicht einseitig anordnen

Mit Urteil vom 01.06.2022 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass der Arbeitgeber zur Umsetzung der ihn treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt sein kann, auf Grundlage eines betrieblichen Schutz- und Hygienekonzepts Corona-Tests einseitig anzuordnen.

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die Klägerin als Flötistin an der Bayerischen Staatsoper mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 8.351,86 Euro beschäftigt war. Zu Beginn der Spielzeit 2020/21 hat die Bayerische Staatsoper, nachdem sie zum Schutz der Mitarbeiter vor COVID-19-Erkrankungen bereits bauliche und organisatorische Maßnahmen wie den Umbau des Bühnenbereichs und die Neuregelung von Zu- und Abgängen ergriffen hatte, im Rahmen ihres betrieblichen Hygienekonzepts in Zusammenarbeit u.a. mit dem Institut für Virologie der Technischen Universität München und dem Klinikum rechts der Isar eine Teststrategie entwickelt. Vorgesehen war die Einteilung der Beschäftigten in Risikogruppen und je nach Gruppe die Verpflichtung zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen. Als Orchestermusikerin sollte die Klägerin zunächst wie alle Mitarbeiter zu Beginn der Spielzeit einen negativen PCR-Test vorlegen und in der Folge weitere PCR-Tests im Abstand von ein bis drei Wochen vornehmen lassen. Die Bayerische Staatsoper bot hierfür kostenlose PCR-Tests an, alternativ konnten die Mitarbeiter PCR-Testbefunde eines von ihnen selbst ausgewählten Anbieters vorlegen. Der Klägerin wurde mitgeteilt, dass sie ohne Testung nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen könne. Sie hat sich geweigert, PCR-Tests durchführen zu lassen und insbesondere gemeint, diese seien zu ungenau und stellten einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit dar. Anlasslose Massentests seien unzulässig.

Der beklagte Freistaat hat daraufhin in der Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 die Gehaltszahlungen eingestellt.

Seit Ende Oktober 2020 legte die Klägerin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht PCR-Testbefunde vor. Mit ihrer Klage hat sie u.a. für die Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs begehrt.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auch die vom BAG nachträglich zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der Arbeitgeber ist  verpflichtet, die Arbeitsleistungen, die unter seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeitsleistung es gestattet. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen kann der Arbeitgeber Weisungen hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen.

Hiervon ausgehend war die Anweisung des beklagten Freistaats zur Durchführung von PCR-Tests nach dem betrieblichen Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper rechtmäßig. Die Bayerische Staatsoper hat mit Blick auf die pandemische Verbreitung des Corona-Virus zunächst technische und organisatorische Maßnahmen wie den Umbau des Bühnenraums und Anpassungen bei den aufzuführenden Stücken ergriffen, diese aber als nicht als ausreichend erachtet. Sie hat sodann mit wissenschaftlicher Unterstützung ein Hygienekonzept erarbeitet, das für Personen aus der Gruppe der Orchestermusiker PCR-Tests alle ein bis drei Wochen vorsah. Hierdurch sollte der Spielbetrieb ermöglicht und die Gesundheit der Beschäftigten geschützt werden.

Die auf diesem Konzept beruhenden Anweisungen an die Klägerin entsprachen billigem Ermessen. Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist verhältnismäßig. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung macht die Testanordnung nicht unzulässig. Da hiernach die arbeitgeberseitige Anweisung zur Umsetzung des betrieblichen Hygienekonzepts rechtmäßig war, hat der beklagte Freistaat zu Recht eingewandt, dass Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs im streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls mit Blick auf den fehlenden Leistungswillen der Klägerin, die die Durchführung von PCR-Tests verweigert hat, nicht bestehen.

 

Quelle: Pressemitteilung Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juni 2022 – 5 AZR 28/22 (verkürzt dargestellt)