Jobcenter muss Fahrtkosten zwecks täglicher Methadon-Substitutionsbehandlung zahlen

Mit Urteil vom 18.03.2020 hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entschieden, dass Fahtkosten für eine tägliche Methadon-Substitutions­behandlung für einen ALG II – Empfänger einen Mehrbedarf begründen, den das Jobcenter zusätzlich gewähren muss.

In dem zugrunde liegenden Fall stritten die Parteien um die Gewährung höhere Leistungen nach dem SGB II durch Gewährung von Fahrtkosten als Mehrbedarf. Wegen einer täglich stattfindenden Methadon-Substitutionsbehandlung machte eine Hartz IV – Empfängerin geltend, dass sie entweder die Kosten für eine Monatskarte für den öffentlichen Personennahverkehr oder die ihr entstehenden Benzinkosten vom Jobcenter erstattet bekommt. Das Jobcenter lehnte die beantragten Leistungen ab und verwies auf die gesetzliche Krankenversicherung ab, die ihrerseits aber ebenfalls eine Fahrtkostenerstattung ablehnte. Das Sozialgericht Karlsruhe gab der Klage statt. Dagegen richtete sich die Berufung des Jobcenters.

Die Berufung des Jobcenters blieb teilweise ohne Erfolg. Das LSG Baden-Württemberg bestätigte das erstinstanzliche Urteil weitestgehend.

Zur Begründung führt das LSG Baden-Württemberg Folgendes aus:

“… Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Mehrbedarf der Klägerin nicht durch Zuwendungen Dritter, durch Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse der Klägerin, gedeckt.
Die gesetzliche Krankenversicherung der Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum keine Leistungen für die Fahrtkosten wegen der Methadon-Substitutionsbehandlung erbracht. Sie hat den entsprechenden Antrag der Klägerin … abgelehnt.
Die Ablehnung der Leistungserbringung durch die gesetzliche Krankenkasse der Klägerin ist auch zu Recht erfolgt. Zwar gehören nach § 60 SGB V auch Fahrtkosten zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden medizinischen Gründen notwendig sind. Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen (um die es hier geht) werden nach § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V aber nur in besonderen Ausnahmefällen … erstattet. Ein in § 8 der Krankentransportrichtlinien festgelegter Ausnahmefall ist vorliegend nicht gegeben. Der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung kommt von vornherein nicht für allgemeine Fahrtkosten, die im Zusammenhang mit einer ambulanten medizinischen Behandlung entstehen, auf …
… Auch unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten war der Fahrtkostenbedarf der Klägerin nicht gedeckt. Der Einsatz der im Regelbedarf berücksichtigten Ansparbeträge zur Finanzierung der Fahrtkosten zur Methadon-Substitutionsbehandlung würde zu einer Aufzehrung dieser Ansparbeträge und demnach zu einer ständigen Unterdeckung dieser Bedarfspositionen führen. Darüber hinaus kommt eine “Umschichtung” von in der Regelleistung für die einzelnen Bedarfspositionen berücksichtigten Beträgen nur dann in Betracht, wenn auch der Bedarf, der durch die “Umschichtung” finanziert werden soll, grundsätzlich vom Regelbedarf umfasst ist … Tägliche Fahrtkosten zu einer ärztlichen Behandlung sind jedoch … nicht Bestandteil der Regelleistung.”

(Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.2020, L 3 AS 3212/18, verkürzt und auszugsweise wiedergegeben)