Betriebsbedingte Änderungskündigung zur Lohnreduzierung muss erforderlich sein

Spricht der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Änderungskündigung zum einseitigen Eingreifen in die vereinbarte Entgeltstruktur aus, dürfen sich die in der Änderungskündigung angebotenen Änderungen des Arbeitsvertrages nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner Entscheidung vom 20.03.2013 ausgeführt.

Dem vom BAG entschiedenen Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger war bei der Beklagten seit 1998 als Kraftfahrer für Gefahrgut beschäftigt. Arbeitsvertraglich war vereinbart, dass für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden der monatliche Brutto-Lohn 4.000,00 DM beträgt. Ferner war vereinbart, dass Einsatzstunden (ab 261) mit gesetzlichen und/oder tariflichen Zuschlägen vergütet werden und Sonderzeiten (z. B. Sonn- oder Feiertage von 0 bis 22 Uhr) mit den gesetzlichen und/oder tariflichen Aufschlägen bezahlt werden.
Mit Schreiben vom 19. April 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 2011 verbunden mit dem Angebot, es bei Vereinbarung eines Bruttostundenentgelts von 7,87 Euro und einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden (173 Stunden im Monat) fortzusetzen. Darüber hinausgehende „Arbeits- und Bereitschaftszeitstunden“ sollten mit „dem tariflich bestimmten“ Zuschlag von 25 vH vergütet werden.
Der Kläger nahm „das Angebot“ unter Vorbehalt an und hatte eine Änderungsschutzklage erhoben, mit der er die Feststellung begehrte, dass die Änderung seiner Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 19. April 2011 unwirksam ist. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Beklagte akzeptierte dies aber nicht und zog vor das Bundesarbeitsgericht, das die Revision der Beklagten zurückgewiesen und die erstinstanzichen Urteile bestätigt hat.

Da eine betriebsbedingte Änderungskündigung einen Eingriff in das vertragliche Gegenseitigkeitsverhältnis darstellt, stellt das BAG hohe Anforderungen an die Wirksamkeit der Kündigung, mit der der Arbeitgeber gleichzeitig ein Angebot für einen neuen Arbeitsvertrag unterbreitet.
Ob ein Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung des Arbeitsvertrages hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen des Arbeitsvertrages müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.

In seinem Urteil vom 20.03.2013 führt das BAG Folgendes aus:

“Der Eingriff in das arbeitsvertraglich vereinbarte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ist allenfalls gerechtfertigt, wenn bei dessen Beibehaltung betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen müssten. Regelmäßig bedarf es zur Rechtfertigung eines solchen Eingriffs eines umfassenden Sanierungsplans, der alle im Vergleich mit der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ebenfalls ausschöpft … Vom Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten und die Auswirkung der erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darstellt und darlegt, warum andere Maßnahmen nicht ausreichen oder nicht in Betracht kommen.”

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.6.2013, 2 AZR 396/12, gekürzt und auszugsweise wiedergegeben)

Fazit:

Die Rechtsprechung stellt an einseitige Vertragsänderungen durch den Arbeitgeber – insbesondere zur Lohnkürzung / Gehaltskürzung – hohe Voraussetzungen.