BSG: Opferentschädigung bei Alkoholmissbrauch der Mutter in der Schwangerschaft möglich

In seiner Entscheidung vom 24.09.2020 hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass Opferentschädigung verlangen kann, wer vor der Geburt durch den fortgesetzten Alkoholmissbrauch seiner Mutter in der Schwangerschaft geschädigt wird. Dies gilt nach der Entscheidung des BSG jedoch nur dann, wenn die Grenze zum kriminellen Unrecht überschritten wird, der Alkoholmissbrauch also auf einen versuchten Abbruch der Schwangerschaft gerichtet ist.

Geklagt hatte eine wegen einer globalen Entwicklungsverzögerung bei Alkohol-Embryopartie schwerbehinderte Frau, die im Jahre 2009 eine Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) beantragt hatte und aufgrund des Alkoholkonsums ihrer leiblichen Mutter in der Schwangerschaft geschädigt wurde. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, obwohl beide leiblichen Elternteile den erheblichen mütterlichen Alkoholkonsum in der Schwangerschaft eingeräumt hatten.

Das BSG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis bestätigt, allerdings klargestellt, dass auch die Leibesfrucht (nasciturus) vom Schutzbereich des Opferentschädigungsgesetzes umfasst ist. Gleichzeitig hat das BSG ausgeführt, dass ein vorgeburtlicher Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft einen tätlichen Angriff auf das ungeborene Kind oder eine dem gleichgestellte Beibringung von Gift darstellen (§ 1 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 OEG). Dies gilt nach den Ausführungen des BSG jedoch nur dann, wenn der Alkoholkonsum einer Schwangeren auf einen versuchten Abbruch der Schwangerschaft, also eine versuchte Tötung des ungeborenen Kindes, gerichtet ist. Im Falle der Klägerin ließ sich der nötige Vorsatz zum Abbruch einer Schwangerschaft, zudem bereits das billigende Inkaufnehmen des Schwangerschaftsabbruchs gehört, nicht nachweisen.

(BSG, Urteil vom 24.09.2020, B 9 V 3/18 R)