Ein Antrag auf ALG II kann nach Dienstschluss des Jobcenters per E-Mail gestellt werden

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 11.07.2019 entschieden, dass ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II (ALG II, Hartz IV) auch per E-Mail gestellt werden kann und sogar ein am Monatsletzten in den späten Abendstunden per E-Mail gestellter Antrag auf ALG II außerhalb der Dienstzeit des Jobcenters auf den Monatsersten zurückwirkt.

Dem vom BSG entschiedenen Fall lag zugrunde, dass der Kläger am Freitagabend, den 30.1.2015, um kurz nach 20 Uhr – ohne Anforderung einer Eingangs- oder Lesebestätigung – eine E-Mail an das Jobcenter sandte, mit der er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für seine Bedarfsgemeinschaft beantragte. Das Jobcenter lehnte Leistungen für den streitigen Monat Januar 2015 ab und berief sich unter anderem darauf, dass es erst nach dem Wochenende, also Anfang Februar 2015, die Möglichkeit hatte, von der E-Mail Kenntnis zu erlangen und daher im Januar 2015 kein Leistungsantrag gestellt worden sei.

Dies sah das oberste Gericht der Sozialgerichtsbarkeit anders. In seinem Urteil vom 11.07.2019 führt das BSG hierzu Folgendes aus:
„Einer wirksamen Antragstellung steht nicht entgegen, dass der Kläger den Antrag per E-Mail versandt hat. Der Antrag auf Leistungen der Grundsicherung nach § 37 SGB II ist grundsätzlich an keine Form gebunden, weil insofern der (allgemeine) Grundsatz der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens gilt… § 37 SGB II verlangt weder … die schriftliche Form noch … eine persönliche Meldung bei der Behörde. Aus diesem Grund ist eine Antragstellung auch per E-Mail möglich… Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Jobcenter einen Zugang für die Kommunikation per E-Mail eröffnet hat (vgl hierzu § 36 Abs 1 SGB I), der Leistungsanträge nicht ausschließt.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte einen solchen Zugang für eine Antragstellung per E-Mail eröffnet. Nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) verwandte der Kläger eine E-Mail-Adresse des Beklagten, die dieser ua auf der von ihm unterhaltenen Internetseite als Kontaktmöglichkeit ohne Beschränkung auf bestimmte Gegenstände der Kommunikation veröffentlicht hat…

Ein Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist dem Jobcenter bereits dann zugegangen, wenn er in dessen Macht- oder Willensbereich gelangt. Auf die üblichen Dienstzeiten kommt es nicht an… Ob das Jobcenter im konkreten Zeitpunkt des Antragseingangs (noch) dienstbereit war, ist nicht entscheidend. Die weiteren Funktionen, die einem SGB II-Leistungsantrag zukommen, erfordern es ebenfalls nicht, die Wirksamkeit des Antrags abhängig zu machen von der Dienstbereitschaft der Behörde.“

(Bundessozialgericht, Urteil vom 11.07.2019, B 14 AS 51/18 R, gekürzt und auszugsweise wiedergegeben)