Mietobergrenze: Behörde muss konkret über die Art und Weise der Suchbemühungen um kostengünstigeren Wohnraum informieren

Übersteigt die tatsächliche Miete von Leistungsberechtigten nach dem SGB II (ALG II bzw. Hartz IV) oder SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt) die jeweils maßgebliche Mietobergrenze, erhalten sie nach kurzer Zeit eine behördliche Kostensenkungsaufforderung, mit der Jobcenter und Grundsicherungsträger ihre Leistungsberechtigten regelmäßig in Textbausteinschreiben dazu auffordern, ihre Mietkosten auf die jeweilige Mietobergrenze zu senken.

Mit gerichtlichem Eilbeschluss vom 26.03.2020 hat das Sozialgericht Kiel die Landeshauptstadt Kiel vorläufig verpflichtet, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft trotz Überschreitens der Mietobergrenze zu gewähren, weil sie den Sozialhilfe – Leistungsberechtigten nicht hinreichend über die Art und Weise der Nachweiserbringung für seine Suchbemühungen um kostenangemessenen Wohnraum informiert hat. Gleichzeitig hat das Gericht den Leistungsberechtigten  verpflichtet, sich um angemessenen Wohnraum zu bemühen und die Bemühungen wie folgt zu dokumentieren:

“a. Zum Zwecke der Dokumentation dieser Bemühungen hat der Antragsteller eine tabellarische Aufstellung über die Herkunft des Angebotes, die Lage der Wohnung, die Größe der Wohnung, die Kaltmiete, die Nebenkosten, die Heizkosten und den Weg der Kontaktaufnahme zu führen.
b. Soweit der Kontakt mit dem Vermieter/ der Wohnungsverwaltungsgesellschaft schriftlich (per Post oder elektronisch) geführt wurde, hat der Antragsteller den Schriftwechsel aufzubewahren. Soweit die Kontaktaufnahme per Telefon erfolgt, hat der Antragsteller die Telefonnummer, den Namen des Ansprechpartners, den Zeitpunkt des Telefonats und die Länge des Telefonates in der Tabelle zu notieren und durch entsprechende Verbindungsnachweise die Möglichkeit des Nachweises zu schaffen.
c. Außerdem hat der Antragsteller schriftlich zu dokumentieren, wann er welche Medien zum Zwecke der Wohnungssuche eingesehen hat, auch wenn kein angemessener Wohnraum verfügbar war.”

Zur Begründung führt das Soziagericht Kiel im Eilbeschluss Folgendes aus:

“Die Übernahme der Kosten für März und die Hälfte des April 2020 folgt hier nur aus der Tatsache, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller nicht über die Art und Weise der Nachweise für die Wohnungsbemühungen informiert hat. Zwar hat die Antragsgegnerin in der Kostensenkungsaufforderung vom 19. August 2019 darauf hingewiesen, dass er seine Bemühungen um Wohnraum nachweisen müsse. Konkrete Anforderungen hieran hat die Antragsgegnerin jedoch nicht gestellt. Es kann deshalb von Seiten des Gerichts nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Antragsteller tatsächlich erfolglos um entsprechenden Wohnraum bemüht hat. Durch die Anordnung der Übernahme der tatsächlichen Kosten für März und die erste Hälfte des April 2020 zusammen mit dem vom Gericht festgesetzten Auflagen, wird es möglich sein, detailliert nachzuvollziehen, um welchen Wohnraum sich der Antragsteller bemüht hat.”

(Sozialgericht Kiel, Beschluss vom 20.03.2020, S 26 SO 8/20 ER)

Diese Entscheidung hat weitreichende Bedeutung für zahlreiche Leistungsberechnungen nach dem SGB II (ALG II) und SGB XII, in denen nicht die tatsächliche Miete als Bedarf anerkannt und diese auf die sogenannte Mietobergrenze reduziert wird. Da sämtliche Mietsenkungsaufforderungen, die z.B. das Jobcenter versendet, lediglich pauschal den Textbaustein enthalten, dass die Bemühungen um günstigeren Wohnraum nachzuweisen sind ohne konkret darauf einzugehen, in welcher Art und Weise der Nachweis zu erbringen ist, sind nach der gerichtlichen Eilentscheidung vom 20.03.2020 alle bisherigen Mietsenkungen rechtswidrig.